Wir sind auf 1700m Höhe auf einer Alm in Kärnten, Österreich. Allein, ohne Strom, ohne fließend Wasser. Der Tee kommt auf dem Kaminherd im gemächlichen Tempo zum Kochen, während von draußen die Geräusche eines rauschenden Flusses und vereinzelter Kuhglocken zu uns in die Hütte dringen. Hier kommen wir nach unserem Aufbruch zur Ruhe und können die vergangenen Wochen, welche von letzten Verpflichtungen und herzlichen Verabschiedungen geprägt waren, Revue passieren lassen.
Rückblick: Auf dem Hof meiner Familie nahe Freiburg angekommen, hatten wir die erste Etappe per Anhalter hinter uns gelassen. Die bereits auf dieser überschaubaren Strecke vielseitigen Begegnungen haben in uns die Vorfreude auf unsere Reise noch einmal beflügelt. Doch zunächst konnten wir die Zeit in meinem Elternhaus genießen. Rasch kehrte ein Alltag ein, sodass die zwei Wochen schnell verflogen. Während ich am Vormittag im Hofladen arbeitete, half Simon früh morgens in der Backstube aus, formte verschiedenste Brote und versuchte sich an Hefezöpfen oder Laugenknoten. Vor meiner Schicht stellte ich meist unseren Flohmarktstand auf, den wir für unseren Aufenthalt auf dem Hof angekündigt hatten und welcher durch den angesammelten Trödel aus dem Haushalt meiner Familie fortlaufend größer wurde, sodass mein Opa nichtsahnend mehrfach täglich kommentierte: „Hänn ihr heud scho wieder nix verkauft.“ Doch der Flohmarkt war ein Erfolg, was wir sicherlich auch einem Zeitungsartikel aus dem lokalen Wochenblatt, dem Dreisamtäler, zu verdanken haben. Dieser sorgte für mehr Gesprächsstoff als von uns zunächst angenommen und führte zu vielen netten Begegnungen und Dialogen mit Besuchern auf dem Baldenwegerhof.
Nebenbei musste ich noch die Masterarbeit zu Ende schreiben. Ehe diese nicht eingereicht war, konnte die Reise nicht losgehen. Später wird Simon in sein Tagebuch schreiben: „Stephie hat es vollbracht, die Bearbeitung ihrer Masterarbeit bis zum äußersten Zeitpunkt hinauszuzögern. Ihr glorreiches und letzten Endes mit einem schiefen Lächeln zu bestaunendes Kunststück, mit gepacktem Rucksack ihre Arbeit drucken zu lassen und bei der Post einzureichen, um sich und mich unmittelbar danach von ihrer Mutter zum ersten Anhalter-Stopp bringen zu lassen, macht beinah all die Strapazen der vergangenen Monate wieder vergessen.“
Nun konnte es also tatsächlich losgehen. Wider Erwarten schafften wir es am ersten Tag nicht gleich in die Schweiz, wo Freunde von Simon uns erwarteten. Stattdessen schlugen wir, als es allmählich dämmerte, unser Zelt auf einer schönen Raststätte in Hegau auf und blieben damit unserem ersten Blogeintrag treu. Zu erschöpft, um uns am Verkehrslärm der Autobahn zu stören, schliefen wir schnell ein. Der nächste Morgen begann vielversprechend. Schon beim Zähneputzen bekamen wir eine Weiterfahrt angeboten. Der Tag entpuppte sich als Glückssträhne, als unser letzter Fahrer uns entgegen seiner Richtung vom Bodensee bis zu unserer gewünschten Adresse ins schweizerische Dörfchen namens Grabs bei Liechtenstein chauffierte. Landestypisch wurden wir abends von unseren Freunden mit einem Käsefondue verköstigt.
Tags darauf ging es über einen kurzen Stopp in Feldkirch weiter nach Innsbruck. In dem sympathischen Chaos eines Wohnmobils, hinter dem Steuer ein waschechter Hippie aus den USA, verlor Simon einen seiner Flipflops, worauf er anschließend resümierte, über diesen kleinen, bescheidenen Gewichtsverlust insgeheim doch recht froh zu sein. Es stimmt schon: Noch sind unsere Rucksäcke eigentlich zu schwer und wir sind gespannt, in den nächsten Wochen hoffentlich feststellen zu können, was sich an unserem Gepäck außer einem Flipflop noch als entbehrlich erweist.
Es verschlägt uns in das noble Kitzbühel, wo wir zwar Lust bekommen, hoch in die Berge zu gelangen und eventuell dort zu nächtigen, wir in diesem Ort aber keinen richtigen Zugang finden. Mit unserem kleinen Budget kommt man hier leider nicht sehr weit, insbesondere die Gondelpreise machen uns einen Strich durch die Rechnung. Also doch weitertrampen. Doch die wenigsten Autofahrer scheinen uns auch nur wahrnehmen zu wollen und uns eines mitleidigen Blickes zu würdigen. Taktikänderung: Statt eines bestimmten Zielortes schreibe ich mit Edding auf unseren Karton „ein kleines Stückchen weiter“ und siehe da, die Kitzbühler Gemüter erhellen sich ein wenig.
Schließlich hält ein Pickup. Sein Besitzer, ein Familienpapa aus Kärnten mit authentischem Dialekt und trockenem Humor, hört sich erst in Ruhe unser Reisevorhaben sowie unseren Unmut über die hiesigen Preise an, scheint über das Erzählte nachzudenken, um schlussendlich davon überzeugt zu sein, dass doch sein Garten in einem ruhigen, untouristischen Tal genau der richtige Zeltplatz für uns zwei sei. Wir nehmen seine Einladung dankbar an, bleiben gleich zwei Nächte und freuen uns, lediglich mit Handgepäck eine längere Wanderung durch die umliegenden Berge unternehmen zu können und uns am Fluss zu waschen. Als wir am zweiten Morgen von einem heftigen Gewitter geweckt werden, flüchten wir ins Haus unserer Gastgeber. Unser Plan war es eigentlich, heute Richtung Klagenfurt zu fahren, doch sind wir auf Grund des Wetters nicht mehr gänzlich davon überzeugt. Als hätten sie unsere Zweifel geahnt, bieten sie uns spontan an, die nächsten Tage auf ihrer Alm zu verbringen. Wir dürfen bleiben, solange wir wollen, entscheiden uns für drei Nächte und decken uns entsprechend mit Proviant ein. In der rustikalen Holzhütte machen wir es uns gemütlich, schreiben Tagebuch, lesen, waschen Wäsche und nehmen uns an den nachfolgenden, wieder aufklarenden Tagen Zeit für ausgiebige Wanderungen mit Blick auf Österreichs höchstem Berg, dem Großglockner. Wir sind von der uns entgegen gebrachten Gastfreundschaft und Herzlichkeit absolut begeistert und staunen lange über unsere Naivität, solche Ereignisse erst in weiter Ferne für wahrscheinlich gehalten zu haben. Bereits wenige Tage später werden wir in Klagenfurt erneut von einer jungen Familie zum Zelten in ihren Garten eingeladen. Den selber sehr reiselustigen Dreien fühlen wir uns sehr verbunden. Wir können uns wunderbar unterhalten, kochen gemeinsam und verbringen einen schönen Abend.
Da es gerade in Städten schwierig ist, einen kostenfreien Zeltplatz zu finden und Wildcampen ohnehin in den umliegenden Ländern oft illegal ist, sind wir für solche Angebote überaus dankbar. Eine willkommene Alternative ist das Couchsurfing, was wir in Zukunft ebenso nutzen möchten. An beliebten Orten kann es in der Hauptsaison jedoch kompliziert sein, spontan eine Couch oder dergleichen zu bekommen. So ergeht es uns in Ljubljana, Sloweniens Hauptstadt, wo wir uns mittlerweile befinden. Hier kommen wir ausnahmsweise in einem günstigen Hostel unter und vollenden unseren auf der Alm angefangenen zweiten Blogeintrag.
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